Die Hochzeit


Ihn also würde ich heiraten.

Das dachte ich vor fünf Jahren im­mer wieder. Ich erinnere mich gut. Ich sah ihn zum ersten Mal, nachdem die Formalitäten längst erledigt waren. Er kam auf den Hof zu Besuch, ass mit uns, übernachtete einmal und ritt am nächsten Morgen wieder weg, zurück auf  sein Schloss, das einige Meilen entfernt war. Er prüfte mich mit seinen Blicken. Offenbar entsprach ich den Vorstellungen, die er sich gemacht hatte. Dann wandte er sich wieder meinem Vater zu. Mein Vater war froh, mich gut verheiraten zu können, ich war die einzige Tochter. Unser Geschlecht ist alt und gut, aber meine Eltern hat­ten viel Besitz verloren, wir waren eigentlich arm. Umso er­staunlicher, dass er um meine Hand angehalten hatte. Er war ein gutaussehender Mann, stark, dunkelhaarig, im besten Alter, das heisst gut doppelt so alt wie ich. Nur in den unteren Ständen heirateten sich Gleichaltrige. Dafür aber oft erst mit dreissig, während ich gerade siebzehn war. Er sah gut aus, aber er machte mir etwas Angst. Ich sah Entschlossenheit in seinem Gesicht, die Gewohn­heit zu befehlen und allein zu entscheiden, Abhärtung vom tage­langen Reiten. Er sah so streng aus, so fremd. Ich hätte nicht ge­wusst, wie ich meine Gedanken ihm gegenüber formulieren sollte. So blieb ich stumm während des Abends, ver­schwand ab und zu in der Küche. Würde dieser Mann mich nicht lieben? Er hatte den Ruf, ein harter Herr zu sein. Nicht dass er seine Untertanen quälte, aber er schenkte ihnen nichts.

In den folgenden Monaten ging es um die Hochzeitsvorbereitun­gen. Nachts allein im Bett malte ich mir die Hochzeit und die Ehe aus. Wie würde es sein, wenn er mich berührte? Würde er seine Landfragen mit mir besprechen? Würde er mich manchmal auf den Ausritt mitnehmen? Welche Aufgaben würde er mir im Haus übertragen? Konnte er lesen?

 

Die Hochzeit war kurz. Es regnete. Er duzte mich und sprach nicht viel. Nach dem Abendessen ging er entgegen dem Brauch nochmals in seine Gemächer. Ich wartete in meinem Bett auf ihn, für die Hochzeitsnacht angezogen, bang allmählich und allein. So hatte meine Mutter nicht davon erzählt. Was dann folgte, war ein Schock. Ohne viel zu sagen, war er hereingekommen, hatte er mein Hemd hochgeschoben und war in mich eingedrungen. Es tat weh. Und so war es dann immer.

 

Wenn er von einer Reise nach Hause kam, zog er mich manch­mal noch vor dem Essen aus. Am liebsten legte er mich auf einen Tisch oder eine Kommode. Machte seinen Stengel frei und stiess in mich hinein. Selten sah ich ihn entkleidet, er liess nicht einmal die Hose herunter. Manchmal ziepte es. Aber ich gewöhnte mir ab, mich über irgendetwas zu beklagen. Entweder hörte er nicht hin und liess mich einfach stehen oder er lachte mich aus. Einmal hatte er mich auch geschlagen, als ich insistiert hatte. Manchmal knetete er meine Brüste und manchmal wollte er von hinten. Er sprach nicht mit mir, er küsste mich nicht, er scherzte nicht mit mir, umarmte mich nicht. Danach knöpfte er jeweils seine Hose zu, rief Diener, um das Essen auftragen zu lassen. Manchmal schimpfte er: „Beeil dich mit Anziehen.“ Manchmal war er freundlicher, half mir in den Rock. Er könnte eigentlich genauso gut eine Kuh benutzen, denke ich heute oft, der Unterschied wäre nicht gross. Gut, ich habe einen run­den Hintern, einen weichen weissen Bauch, dicke Schenkel, junge Brüste. Manchmal betrachtete er mich lange, bevor er an­fing. Ich schämte mich.

Bei Tisch regelte er oft Hausangelegenheiten. Ich war anfangs nur für einen kleinen Teil zuständig. Er hielt viel von seiner Haushälterin. Diese hatte mich eingeführt, zeigte mir dies und das. Aber ich sollte lange nicht wirklich Hausherrin werden. Ich begann zu lesen. Im alten Flügel hatte ich eine Bibliothek entdeckt. Manchmal sah ich ihn tage­lang nicht, wenn er auf seinen Ländereien war. Er erzählte mir kaum etwas von seinem Land und was er machte.

Im zweiten Jahr unserer Ehe wurde es schwieriger. Ich wurde nicht schwanger. Deshalb machte er es öfter, bis viermal die Woche. Von Zyklus und unfruchtbaren Tagen wollte er nichts hören. Manchmal beschimpfte er mich, obwohl er so gut wie ich wusste, dass nicht unbedingt ich schuld an unserer Kinderlosig­keit war. Im dritten Jahr wurde ich endlich schwanger. Er hörte nicht auf, bis im fünften Monat. Dann verlor ich das Kind.

 

Dabei war ich so bereit gewesen, ihn zu lieben. Manchmal am Anfang unserer Ehe überwand ich meine Schüchternheit und berührte ihn. Ein paar Mal bat ich ihn, in meinem Gemach zu übernachten. Er reagierte auf meine Zärtlichkeiten erst erstaunt, dann zunehmend unwirsch. Ich wusste, er kannte es nicht. Ich hoffte lange. Ich hatte ihm mein Herz geschenkt, ohne zu fragen. Aber er nahm es nicht wahr, es bedeutete ihm nichts.

 

Eigentlich weiss ich erst so recht, was mir fehlt, seit ich eine un­serer Mägde beobachtet habe. Ich hörte Kichern und Getuschel, als ich einmal vom Kräutergarten her am Viehgehöft vorbei ins Wohnhaus zurückging. Ich erkannte ihre Stimme und wollte her­ausfinden, wer der Knecht sei. Sie war noch niemandem ver­sprochen. Ich ging ins Gebüsch dahinter, wo ich die beiden un­gestört belauschen und durch die Bretter beobachten konnte. Er hatte ihr das Hemd geöffnet. Seine Finger wanderten über das Schlüsselbein zwischen den beiden Brüsten hinunter, legten eine Brustwarze frei. Er wollte sie küssen. Sie lachte und entzog sich. Dann wandte sie sich ihm wieder zu. Ihre Brüste lachten ihn an, lockten. Er nahm sie in seine Hände, halb vor ihr kniend lachte er auch und kitzelte sie, dann schob er seine Hand unter ihre Röcke.

Mir reichte es. Noch tagelang hörte ich ihr Kichern, sah ihre glänzenden Augen.

 

Was sollte ich tun? Manchmal überlief es mich heiss. Endlich wusste ich, dass ich nie je etwas anderes zu erwarten hatte von meinem Mann als die wortlose, kurze Sache, die für ihn zum Alltag gehörte wie nach dem Vieh sehen, essen und befehlen. Er sprach nie darüber.

Eine Zeitlang war ein junger Adliger bei uns auf dem Schloss, der entfernt mit ihm verwandt war. Er war blond und kräftig. Und er sprach etwas öfter mit mir. Sollte ich ihn zu meinem Liebhaber machen?

Das Schlimmste, womit ich hätte rechnen müssen, war Steinigen.

Ich hatte Angst.